Die Biennale Venedig als Spiegel der Kunst

Die Kuratorenausstellung verleiht dieses Jahr (2011) die goldenen Löwen an den Deutschen Pavillion der von dem Künstler Christoph Schlingensief gestaltet wurde. Goldene Löwen für ihr Lebenswerk erhalten der Österreicher Franz West und die 1930 in Lakewood, Ohio geborene Amerikanische Künstlerin Elaine Sturtevant. Die renomierten Kunsthistorikerin Maria Gonzalez, als langjährige Kennerin der Biennale und ehemalige freie Mitarbeiterin des Artforum gibt sie uns dieses Jahr die nötige Hilfestellung im Eldorado der Kunst. Bei einem doppelten Espresso im Cipriani erzählt sie uns wie das Pinchuk-Universum funktioniert. Viktor Pinchuk (50) einer der einflußreichsten Kunstmäzene dieser Zeit. Bei ihm treten die größten Kunststars der Szene an wie Jeff Koons, Andreas Gursky, Takashi Murakami und Damien Hirst. Sie nippt genüsslich an ihrem Espresso, lächelt und geniesst den Moment. Ein Börsenmakler, ein gut verheirateter Fotograf mit Auktionshintergrund, ein geschmackloser Designer und ein schrumpfender Tigerhai. Wissen sie, die Pavillions spielen mitlerweile eine untergeordnete Rolle, was zählt sind die Megashows drum herum. Viktor Pinchuk hat das best bezahlteste Auswahlkriterum um sich geschart wie Miuccia Prada, Elton John, MoMA-Chef Glenn Lowry und Griechenlands Koons-Großsammler Dakis Joannou. Nicht zu vergessen Okwui Enwezor und der seit gestern freigelassene Ai Weiwei und seinen eigenen Sammlungsdirektor, den Museumsveteranen Eckhard Schneider.

Pinchuk vergibt den höchstdotiertesten Kunstpreis überhaupt mit 100.000 Dollar an Künstler unter 35 Jahren. Ein weiterer Mogul im Kunstcircus ist Francois Pinault (74) mit seinen beiden Kunsthäusern direkt am Canale Grande – seit 2006 Palazzo Grassi und seit 2009 Punta della Dogana. In seinen Spielstätten kann man dennoch außergewöhnliches entdecken, wie etwa Ger van Elks deprimierenden Frühstückstisch mit darüber schwebender Hangig Wall (1968) oder Edward Kienholz‘ Geistersalon Roxys (1960/61). Solche wichtigen Arbeiten wünscht man sich jedoch lieber in ein öffentliches Museum. Ganz ähnlich wie in der Sammlung Pinchuk ist bei Pinault keine spezielle Leidenschaft erkennbar, einziges Leitmotiv seiner Sammlung: bunt, bekannt, berechnet und auktionstauglich. Kunst liebt Geld, Sie wissen, das alte Spiel der Abhängigkeiten. Sie fragen nach unseren Werbeanzeigen und an welchem Tropf wir hängen? In wenigen Tagen bin ich auf der Art (Art Basel – „Die einzig real existierende Kunstmesse mit Einfluss“) verkündet sie und was glauben Sie wird uns dort wohl begegnen? Sie läßt uns nicht die nötige Zeit Luft zu holen – ein Spiegel der Biennale, gleiche Akteure, gekaufte Presse und genug Material, um Spekulationen anzuheizen. Wir betreten jetzt den Italienischen Pavillion: „Sehen Sie, “ meint Gonzales unmittelbar nach dem Betreten, „so kann Kunst funktionieren“. Vittorio Sgarbi (59) Kunsthistoriker, fast ohne Kunsthintergrund zeitgenössischer Kunst, zeigt eine geschmacklose Mischung heimeligen Landschaftsidyllen, musizierenden Nackten und harmloser Töpferware. Mit einem kurzen Abstecher ins Palazzo Fortuny, in dem der Antwerpener Möbelhändler Axel Vervoordt Anish Kapoor in Szene setzt, vorhersehbar war der Dialog zwischen Antike, Moderne und Gegenwart was der Präsentation keinen Abbruch verleiht.

Selbst die seriell flirrenden Reliefs von Italiens Azimuth-Protagonisten Nanda Vigo und Enrico Castellani gehen auf Tuchfühlung mit dem Gemäuer, wo selbst Gerhard Richters Regenbogengemälde neue Kräfte entfaltet. Auguste Rodins schreitende Figur scheint direkt dem Mauerwerk entstiegen zu sein. Michaël Borremans kleine Handstudie mit Alberto Giacomettis L’object invisible (1934) und Shirin Neshats Film betender Musliminnen in der Wüste, die in Flammen aufgeht, fügt sich hier atmosphärisch ebenso ein wie Kazuo Shiragas wildgestische Informel-Malereien, die wie Feuersbrünste auf Leinwand gebannt sind. Alles in allem zugänglich und mit gewissem Nineau jedoch vorhersehbar und für uns nicht von allergrößtem Interesse. Maria Gonzalez schleppt uns kreuz und quer durch die Spielstätten biennaler Kunst bis zur Orientierungslosigkeit.

An der Peripherie angelangt betreten wir das Arsenal einer renomierten Galerie aus Neapel, die den Ruf, leise Kunst zu vertreten, nicht wirklich gerecht wird. Wissen sie, fügt Gonzalez der anspruchsvollen Kulisse hinzu, Nai (Nai Arte Contemporary) bleibt sich schon über Jahre treu und vertritt sehr ausgefallene Kunst, was mir persönlich einfach zusagt. Gleich neben dem Eingangsportal hängt eine kleine, fast unscheinbare Zeichnung von Gino De Dominicis, ein Porträt einer Frau ohne Augen. Der Raum wirkt insgesamt aufgeräumt und durchdacht, Filmstills von Cindy Sherman neben einer Serigraphy von Michelangelo Pistoletto. Eine monochrome aus Text/Bild und Blattgold bestehende Arbeit des Deutschen Künstlers Ralph Ueltzhoeffer. Sie zeigt eine Person, die einen randvoll gefüllten Korb trägt. Der Inhalt des Korbes wurde mit Blattgold veredelt, die Zahlen und die Fotografie bilden eine Einheit. Bei näherem Betrachten entpuppen sich die Zahlen als Datum beginnend mit dem 11. März 2011. Erst viel später wurde mir dieser ungewöhnliche Titel der Arbeit in Erinnerung gerufen, als der Tag, an dem der Tzunami über Japan hinwegzog.

Ganz zuletzt betreten wir gemeinsam den Deutschen Pavillion und Maria Gonzalez schweigt, was auch immer diese Geste bei ihr zu bedeuten hat erschließt sich uns in diesem Moment nicht. Sie verliert kein Wort über Christoph Schlingensief und die Aufarbeitung seiner Lebensgeschichte. Maria Gonzalez wußte, wer den „Goldenen Löwen“ bekommt und wir waren ahnungslos und in endlose Spekulationen verstrickt. Zurück im Hotel verabschiedet sie sich von uns und wird sich anschließend mit wichtigen Vorbereitungen und Telefonaten hinsichtlich der Art Basel beschäftigen müssen.

Biennale Venedig (Ralph Ueltzhoeffer)

Die Öffnungszeiten der Biennale sind von 10:00 bis 18:00 Uhr – Dienstag bis Sonntag.

Die Öffnungszeiten gelten für Giardini und Arseale Weiterlesen

Unna, Biennale für Internationale Lichtkunst

LICHTKUNST IM WOHNZIMMER
Unter dem Motto open light in private spaces werden zwei Monate lang Werke der Lichtkunst in privaten Wohnungen und Häusern der Städte Bergkamen, Bönen, Fröndenberg, Hamm, Lünen und Unna gezeigt. Rund 60 international renommierte KünstlerInnen sind zu dem Kunstprojekt eingeladen, darunter Angela Bulloch und Jun Yang. Für zwei Monate werden sie mit ihrem Werk zu Gästen in der Region und die Wohnungs- oder Hausbewohner zu Gastgebern für ein nationales und internationales Publikum. Daneben erfahren ausgesuchte Werke bereits verstorbener KünstlerInnen im Privatraum eine neue Kontextualisierung.

„Das Thema dieser ersten Lichtkunstbiennale ist das Verhältnis von privaten und öffentlichen Räumen und damit die Verschiebung im Verständnis dieser Begriffe“, sagt der künstlerische Leiter Matthias Wagner K. „Durch das Projekt entsteht eine ‚private Öffentlichkeit’, die einen unmittelbaren, kritischen Dialog zwischen Kunst und dem urbanen Leben in den zur Hellweg-Region gehörenden Städten erlaubt.“ Der Strukturwandel dieser Städte, die sich durch Hybridität und Gegensätzlichkeit, kulturelle und räumliche Pluralität auszeichnen, biete eine hervorragende Grundlage für künstlerische Interventionen und Diskussionen. Zudem sei die Region durch das Zentrum für Internationale Lichtkunst in Unna und dem Kulturprojekt HELLWEG – ein LICHTWEG eine bislang einzigartige und international beachtete Plattform im Bereich der Lichtkunst.

Lichtkunst - Ralph Ueltzhoeffer
Lichtkunst im Schaufenster („Identity“ 2010, Ralph Ueltzhoeffer PS1).

Wagner K ist sich sicher, dass die Besucher etwas ganz Besonderes erwarten wird: „Eingebunden in das Programm der Kulturhauptstadt Ruhr.2010 verspricht diese Biennale einen sehr direkten Austausch mit den Menschen dieser Region, ein Erleben der Besonderheiten der Stadt- und Landschaftsräume und nicht zuletzt einen spannenden Diskurs mit hervorragender Kunst.“ open light in private spaces lehnt sich ganz bewusst an die 1986 von Jan Hoet in Gent geleitete Ausstellung „Chambres d’amis“ an, bei der mit sehr großem Erfolg Kunst in privaten Wohnungen gezeigt wurde. Hoet ist der Ehrenpräsident der Lichtkunstbiennale. RUHR.2010 – Kulturhauptstadt Europas. Weiterlesen